Sollen Politiker Probleme schonungslos aufarbeiten oder sich auf Lösungen orientieren?
Im Coaching geht es häufig darum, sich von der Vergangenheit und der Fixierung auf Probleme und deren Ursachen weg und hin zur Zukunft und zu Lösungen zu bewegen. Dieser Perspektivwechsel wird durch ebenso schöne wie einfache Fragen aus dem Werkzeugkasten der lösungsorientierten Kurzzeitberatung unterstützt. Die Wunderfrage („Stellen Sie sich vor, über Nacht geschieht ein Wunder und all Ihre Probleme sind gelöst. Was wird dann am Morgen anders sein?“) führt direkt in den Lösungsraum. Und Skalierungsfragen erleichtern die Arbeit an den kleinen Schritten zum Besseren.
In der Politik scheint es oft genau andersherum zu sein. Zumindest öffentlich reden Politiker, gerade wenn sie Probleme haben, gern über die Zukunft. Sie sagen: „Wir haben jetzt Tritt gefasst und werden die nächsten Aufgaben angehen.“ Oder sie reden von mangelhafter Kommunikation von an sich ehrenwerten Beschlüssen, die aber künftig besser werde, was sich bereits daran zeige, dass…“ Beinahe möchte ich diesem tatkräftigen Optimismus applaudieren, wüsste ich nicht aus Erfahrung, dass es sich oft um eine Flucht aus der Vergangenheit handelt, die nicht mit einem Lernprozess verbunden ist. Es unterbleibt der ehrliche Blick auf die vorhandenen Ressourcen, die in den Lösungsprozess eingebracht werden. Und es fehlt oft am Willen zur Veränderung.
Natürlich könnte man meinen, dass Politiker nur öffentlich so optimistisch sind, intern aber nicht die ehrliche Analyse scheuen. Das mag sein, andererseits gibt es aber auch innerhalb von Parteien und Fraktionen unterschiedliche Positionen und Interessen, die nicht aufgegeben werden, weil dadurch möglicherweise Machtverhältnisse infrage gestellt werden. Bei solchen Konstellationen stehen die Chancen schlecht, dass Klarheit und Ehrlichkeit im kleinen Kreis den öffentlich zur Schau gestellten Zweckoptimismus korrigieren. Aber sind Klarheit und Ehrlichkeit wirklich eine Chance? Die eine schonungslose Analyse von Fehlern fordern, verfolgen in der Politik oft auch eigene Interessen. Die Fehleranalyse wird so zum Machtspiel, bei dem die Einen schlecht und die anderen möglichst gut aussehen sollen.
Vielleicht kann die Politik aus der lösungsorientierten Kurzzeitberatung lernen. Es ist aus der Erfahrung entstanden, dass die die Analyse eines Problems weniger zu seiner Lösung beiträgt als der Blick darauf, was bereits funktioniert. Hier werden Veränderungen dadurch bewirkt, dass Ressourcen im Ausnahmeverhalten entdeckt werden (Wann tritt das Problem nicht auf?), dass experimentiert wird und etwas anderes probiert wird, wenn ein Verhalten nicht funktioniert (Was noch können Sie tun?), dass kleine Schritte zum Besseren gegangen und bemerkt werden (Was können Sie morgen tun, um…?), dass in den Lösungsraum gesprungen wird (Was werden sie tun, wenn die aktuellen Probleme gelöst sind?), etc.
Diese Fragen könnten sich auch Politiker stellen: Welche Ressourcen zeigen sich in den Situationen, in denen wir stark sind? Welche kleinen Schritte können wir sofort umsetzen? Wie würden wir handeln, wenn wir nicht gerade Tagesprobleme lösen und ums Personal streiten müssten? An welchen Prinzipien würden wir dann unser Handeln ausrichten? Diese Fragen würden vergleichsweise einfache Antworten haben und vielleicht die Chance bieten, Schritt für Schritt besser zu werden und Vertrauen zurückzugewinnen.
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